OVERVIEW: The early Years of Arcade Culture: How Interactive Entertainment became a World Changer around 1980 (English / German)

Ein Überblick über die frühen Jahre der Videospiele 

Level 1: Spieler… allein zu Haus?! / Gamers… Home alone?!

Schachtürke / Chess-Turk (Stich von 1783, Quelle: Wikipedia)

Der Drang zur Unterhaltung oder auch die schiere Lust am Wettkampf ist so alt wie die Menschheit. Spiele wie Schach oder Mühle sind mittlerweile mehrere tausend Jahre alt. Da die frühe Zerstreuung stets abhängig davon war, dass auch jemand anderes (mit-) spielen wollte, hat es ebenso lange den Wunsch danach gegeben, einen Spielpartner zu haben, der stets verfügbar und nie missgelaunt wäre und vor allem durch anpassende Spielstärke eine dauerhafte Herausforderung darstellen könnte. Ein überliefertes frühes Beispiel für das starke Interesse an automatisierter Unterhaltung war die Maschine des “Schach-Türken” des Wolfgang von Kempelen, der 1770 am österreichischen Hof erstmals gezeigt wurde und großes Aufsehen hervorrief – allerdings handelte es sich hier um einen Schaustellertrick. Spielautomaten der unterschiedlichsten Art wurden immer wieder entworfen. Bekannte Beispiele sind vor allem die Musikboxen der 40er und 50er Jahre, bald gefolgt von Flippern, die bis heute immer mehr elektrische Komponenten und neuerdings auch Bildschirme beinhalten.

The urge for entertainment or the sheer lust for competition is as old as humanity. The history of games like Chess or Mill spans several thousand years. Since gaming was long dependent on the existance of someone else who also wanted to play, there has also long been the desire to have a partner who would always be available, never act mischievous and also provide us with a permanent challenge. A traditional early example of the keen interest in automated entertainment was the „Chess-Turk“ machine built by Wolfgang von Kempelen, first shown at the Austrian court in 1770 and stirring up a sensation back then – though this was simply a showman’s trick. In the subsequent decades and centuries slot machines of various kinds have been designed again and again. Well-known examples are the music boxes of the 1940s and 50s, soon followed by pinball machines that inherited more and more automated technology and today even digital effects and multiple screens.

Zusammen ist man weniger allein (Bild: Piasecki: Credere et Ludere, S. 503)

Die ersten technischen Großrechenanlagen nach dem zweiten Weltkrieg wurden im Auftrag des Militärs errichtet, aus denen auch die ersten Computernetzwerke hervorgingen. Nahezu gleichzeitig wurden sie zum Spielen verwendet. Das erste überlieferte Spiel „Tennis for Two“ wurde schon 1958 auf Universitäts-Oszilloskopen „entwickelt“. Die Faszination, die es hervorrief, wurde zum Anstoß für eine junge Generation von Computertechnikern in den späten 60er und frühen 70er Jahren, ihrerseits Spiele zu entwickeln. Anfang der 1970er wurden die ersten dezidierten Spielautomaten in der Öffentlichkeit auf Bowlingbahnen, in Kinos und Diner-Restaurants etc. aufgestellt und hatten einen durchschlagenden Erfolg – mit ihnen wurden Videospiele auch als Heimunterhaltung populär. Die an Universitäten lernenden und im militärisch-industriellen Komplex tätigen Hardwaredesigner und Softwareentwickler fanden in Spielhallen Anregungen für ihre eigenen Ideen. Am und im Umfeld des Arbeitsplatzes und der dort verbrachten Zeit entstanden so vollkommen neue Software- und Hardwareentwicklungen wie auch die ersten bald kommerzialisierten Spiele wie der 1976 auf einem Universitäts-Mainframe entwickelte Prototyp aller heutigen Abenteuer- und Rollenspiele, „Collossal Cave Adventure“ – die bis heute wichtigste Firma für sog. „interactive fiction“, Textadventures, entstammte dem universitären Umfeld des MIT.

Donkey Kong – von der Spielhalle auf den Heimcomputer (Bild: Piasecki: Credere et Ludere, S. 106)

The first mainframe computers were built after the Second World War on behalf of the military, from which later international computer networks emerged. Almost at the same time sophisticated hardware was not only used to maintain national security but also… to play. The first „video“ game „Tennis for Two“ was developed (hard-wired) in 1958 on laboratory oscilloscopes within a university environment. The fascination it created became the impetus for a younger generation of computer technicians to develop games in the late 60s and early 70s when the first dedicated slot machines were set up in public on bowling alleys, in cinemas and diner restaurants, etc., and had a resounding success – making video games popular as home entertainment as well. From universities, research labs and companies of the military-industrial complex in the US emerged entirely new software and hardware developments – often developed after work while the extremely expensive mainframes were put to their idle states. The year 1976 saw the prototype of all of today´s adventure and role-playing games, „Collossal Cave Adventure“. First being spread amongst other technicians and played in laboratories it was later enhanced and provided the ground for a new industry of text based games, called „interactive fiction“ – the company „Infocom“ being the most influential company of this era (it´s founders created the company out of their main jobs at the Massachusett Institue of Technology in 1979).

Joseph Weizenbaum hat treffend den Typus des frühen Programmierers beschrieben, der verbissen in und fasziniert von seiner Arbeit von früh bis spät an seinen Entwicklungen arbeitete („Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“, 1977). Diese Menschen trennten oft zwischen Arbeit und Freizeit, indem sie zwar am Arbeitsplatz blieben und gar nicht erst nach Hause gingen, zur Entspannung aber Spiele entwickelten; simple Reaktionsübungen zunächst aus reiner Freude an der Entwicklung, die aber häufig verbreitet und anderen gezeigt wurden und ihrerseits andere Spiele inspirierten. Bald wurden sie in Plastiktüten verpackt und in Kleinauflagen produziert in Läden wie RadioShack verkauft, wo die Freaks und Nerds sich trafen und fachsimpelten (siehe Interview mit Ed Smith).

Joseph Weizenbaum aptly described the type of early programmers as who worked doggedly and were fascinated by their work and developments from dawn to dusk („Computer Power and Human Reason“, 1976). These people often split between work and leisure time by staying at work and not even going home, but developing and playing games for relaxation; initially such „games“ were not more than simple reaction exercises for the pure joy of development, later spread and shown to others where they again inspired new games. Subsequently they were packed in plastic bags and produced in small quantities in stores like RadioShack, where the freaks and nerds of this era met and talked (see interview with Ed Smith).

 

Level 2: Spieleentwicklung im Schatten von Atari, Mattel und Coleco / „Gaming without the price“ – game development in the shadows of Atari, Mattel and Coleco

Große Gefühle in der Spielhalle (Bild: Piasecki: Credere et Ludere, S. 107)

In schneller Folge entstanden für das nach Innovationen gierende Publikum in den Spielhallen immer komplexere Automaten mit besserer und bunterer Grafik – die ersten Modelle waren noch schwarz-weiß und täuschten Farbe bloß vor, indem vor den Bildschirmen farbige Folien angebracht wurden. Bald wurden „Geschichten” mit den dargebotenen Reaktionsspielen verbunden, noch bevor Comicfiguren für die Nutzung in Videospielen offiziell lizenziert und adaptiert wurden.

With a rapid pace more and more complex arcade machines were created for a largely male and young audience and its hunger for technical innovations – always looking for better and more colorful graphics in contrast to the early black and white screens that tried to simulate the display of colours by using inked screen foils that were simply attached onto the screens. Soon „stories“ were associated with simplistic reaction games, even before comic characters were officially licensed and adapted for use in video games. „Planes“ to be shot down became elements of war stories, yellow rectangles were explained as the „crown“ to be saved from round-shaped evil „dragons“ etc.

Der technologische und grafische Fortschritt sowie der massive wirtschaftliche Erfolg von Spielautomaten führte zu einem entsprechenden Innovationsdruck im Heimbereich und zu immer neuen Kundenerwartungen. Die seit 1977 auf dem Markt befindliche Spielekonsole Atari 2600, ein System der sog. „2. Generation”, deren Spiele auf Steckmodulen ausgeliefert wurden, verbreitete die Faszination der „Spielhalle für Zuhause”. So gut wie jedes erfolgreiche kommerzielle Automatenspiel erschien nach einiger Zeit auf dieser Konsole und trieb die Erwartungen und Hoffnungen der Nutzer immer weiter an. Ihre große Verbreitung und die Finanzmacht der Firma Atari konnte kleinere Wettbewerber überstrahlen und ihren Markterfolg behindern, die technisch aber nicht weniger innovativ waren als Atari selber. So wie TV-Sendungen der 60er Jahre als „Straßenfeger” galten, wenn sie viele Menschen vor den Bildschirmen versammelten und am nächsten Tag die Gespräche prägten, so wuchsen auch Videospiele in diese Rolle hinein und belegten immer größere Anteile der verfügbaren Freizeit von Individuen.

Coleco Adam Heimcomputer (Bild: Piasecki: Credere et Ludere, S. 110)

The technological and graphical progression as well as the massive economic success of gaming machines led to a corresponding wave of innovation in digitized home entertainment and fuelled growing customer expectations accordingly. Atari’s 2600 games console, which had been on the market since 1977, is a so called „2nd gen console“ whose games came on plug-in cartridges, spreading the fascination of a flexible „home arcade“. Almost every commercially successful arcade game came out for the 2600 sooner or later, spiralling the expectations and hopes of gamers higher and higher. The market domination and financial power of Atari was able to outshine smaller competitors and hinder their market success, even though many of which had been no less innovative than Atari itself – spoken technology-wise. After the radio shows of the 30s and 40s and commercial television becoming influential in the 50s and 60s, video games were, in the words of Steve Jobs, the „next big thing“ in the 1970s and 80s, occupying more and more of the available leisure time of individuals.

Abgesehen von innovativen Einzelentwicklungen trat der Gesamtmarkt 1982/83 jedoch auf der Stelle, während der Heimcomputer sich von seinen Anfängen als Bausatz, den man selber zusammenlöten musste, emanzipierte und spätestens mit dem Commodore VIC-20 auch in Deutschland durchstartete. Nicht nur waren diese Heimcomputer wesentlich leistungsfähiger als zuvor die Spielekonsolen, sie boten Massenspeicher wie Kassetten- und Floppylaufwerke und konnten vielseitig programmiert werden. Kundenzeitschriften druckten „Listings” ab, die ein Nutzer abtippen und speichern konnte – oder sogar verändern. Spieler wandelten sich von Konsumenten zu Produzenten. Etablierte Hersteller der im Vergleich unflexiblen Spielekonsolen reagierten mit einer „Professionalisierung“ ihrer Geräte. Der Konsolenhersteller Coleco erweiterte seine Konsole um Computerkomponenten („Coleco Adam”), Unimex brachte eine Kopierstation für Atari-Module auf den Markt, Neckermann veröffentlichte ein Deutsch-Englisch-Lexikon-Programm für seine Palladium-Konsole (baugleich Arcadia 2001).

Apart from innovative individual developments, however, the overall market began to stall and finally quickly folded in 1982/83, while the home computer emancipated itself from its beginnings as a kit that one had to solder together. Commercially successful stand-alone products like Commodore’s VIC-20 were introduced in 1980 (US) and early 1981 (Europe). The main asset of these home computers was their expandability and flexibility and multi-purpose use. More powerful than most of the games consoles they also offered mass storage devices such as cassette and floppy drives and could be programmed in a variety of ways. Computer magazines printed „listings“ that a user could type and then store on tape or disk – or even change. The role of individuals changed from consumers to producers. Manufacturers of the now seemingly inflexible games consoles reacted in turn with a „professionalization“ of their devices. Coleco extended its Colecovision console with computer components („Coleco Adam“), Neckermann published a German-English dictionary cartridge for its Palladium console and used the keys of the Palladium’s joysticks as a full fledged keyboard.

 

Level 3: Aus Spielern werden Anwender / Gamers become users

APF MP1000-Konsole in der Verpackung (Bild: Piasecki)

Wie zuvor Coleco, Intellivision oder Atari versuchte auch die amerikanische Firma APF von dem rasant wachsenden Kuchen der Heim-Bildschirmunterhaltung einen großen Bissen abzubekommen. APF war seit Ende der 1960er Jahre Hersteller von preisgünstigen Taschenrechnern gewesen und kopierte früh die aufkommenden Heimvarianten des erfolgreichen Spieleautomaten PONG. Der Erfolg von Ataris Heimkonsole 2600, deren Spiele per Steckmodulen ausgewechselt werden konnten, ließ APF dann auch diese Strategie kopieren: Man entwickelte die APF MP-1000, eine Konsole mit Steckmodulen (die übrigens sämtlich von einer Frau programmiert wurden) und die das Design der Intellivision und ebenso der Coleco-Konsole vereinte. Das Ziel war stets, vom Erfolg der „Großen“ zu profitieren, selbst aber kostengünstig zu entwickeln und zu produzieren. Für APF galt der spätere Marketing-Slogan „Power without the price“ der Firma Atari als noch viel mehr als für den Hersteller der Atari ST-Heimcomputer selbst.

Just like Coleco, Intellivision or Atari, the American company APF also tried to grab a big chunk out of the rapidly growing market of the home screen entertainment. APF was one of the first and most successful producers of cheap Pong console replicas for home TV sets. Later in 1978, APF also copied Atari’s new strategy of offering consoles with interchangeable game modules before attempting to leap onto the upstarting trend of budget home computers in 1979. APF developed the APF MP-1000, a console with plug-in game cartridges just like the Atari 2600 (all of which were programmed by a woman) and adding up on both the design of the Intellivision by Mattel and also the ColecoVision console. The goal was simply not only to benefit from the success of the „big players“, but also to develop, produce and sell their own devices much cheaper. Atari´s late marketing slogan „Power without the price“ fits APF’s strategy perfectly.

Bald traten angesichts der Marktveränderungen auch für APF die Heimcomputer in das Blickfeld; man begnügte sich jedoch nicht mit zusätzlicher Peripherie wie Tastaturen oder Massenspeichern, sondern entwickelte ein Baukastensystem, eine Computereinheit, auf die man die Spielekonsole aufstecken konnte und aus deren Verbindung sich ein vollwertiger Heimcomputer ergab. Maßgeblich entwickelt wurden die MP-1000 Spielekonsole und der IM-1-Computer („Imagination Machine“) wie auch die späte integrierte Technologie IM-2 von Ed Smith, einem jungen Ingenieur, der eine große Leidenschaft für Mathematik und Computer und Videospiele hatte.

Soon, given the market changes, home computers also moved into sight at APF’s; unlike Mattel and Coleco they did not settle for additional peripherals such as keyboards or mass storage devices to be attached to the console, but rather developed a modular system, a computer unit, on which one could attach the games console and the result would be a full-fledged home computer. Following the industry trend from consoles to computers, this extended MP-1000 games console became the IM-1 („Imagination Machine“) in 1979, later meant to be succeeded by the IM-2 (planned to be released in 1983 but never came out). All of these were developed by Ed Smith, a young engineer with a great passion for mathematics, computers and of course video games.

Ed Smith 1982 (Bild: Ed Smith / Benj Edwards)

Von anderen Mitarbeitern der Spieleindustrie unterschied ihn jedoch allein… seine Hautfarbe. Ed Smith ist einer von nur zwei heute bekannten schwarzen Spiele-Hardwareentwicklern der 1970er Jahre und arbeitete unter jüdischem APF-Management in einer ansonsten weißen Industrie, die gemäß der IGDA Game Developer Demographics-Studie auch noch im Jahr 2005 zu 83,3% von „young white males“ dominiert wurde. Computertechnik und Spielehardware zu entwickeln war die große Leidenschaft des jungen Ed Smith und half ihm, später auch seine Familie aus dem benachteiligten Wohngebiet herauszuholen, in dem er aufgewachsen war.

Ed Smith was not much different from many other geeks and developers back then. However, he was different from other game industry employees in one aspect … his skin color is black. Ed Smith is one of only two black game hardware developers of the 1970s who are known today. He worked under Jewish APF management in an otherwise white industry, which, according to the IGDA Game Developer Demographics study, by 83.3% was still dominated in 2005 by „young white males“. Developing computer technology and games hardware was the great passion of the young Ed Smith, and helped him later bring his family out of the deprived residential area where he grew up. In this interview, Ed Smith gives a critical insight into the spirit of a flourishing industry.

(Stefan Piasecki)

INTERVIEW: Ed Smith on game development in the bronze age of digital entertainment – the 1970s (English)

START: „Video game interaction has no color, no language barrier, no judgement“ (English / German)

Video: Ed Smith on his 40+ years of engineering work for APF, Apple, Novell and others

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