Erschienen: „Prostitution heute“ …

Prostitution heute. Befunde und Perspektiven aus Gesellschafts-wissenschaften und Sozialer Arbeit

Ebenso skandalisiert wie verharmlost ist die Praxis gewerblichen Geschlechtsverkehrs immer wieder Gegenstand kontroverser gesellschaftlicher Debatten. Undeutlich bleibt dabei oft, was genau gemeint ist und über wen gesprochen wird. Die rechtliche Lage, die sozioökonomische Position, die Profiteure und die Benachteiligten eines sich ständig verändernden Milieus müssen nämlich ebenso berücksichtigt werden wie die Orte von Prostitution und das Geschlecht der Betroffenen.

Dieser Sammelband möchte gegenwärtige Strömungen und Auffassungen sichtbar machen, Ursachen und Motive von Prostitution argumentativ aufbereiten, die Nachfrageseite und ihre Rolle im Prostitutionssystem beleuchten, den Einfluss medialer Sujets nachzeichnen und auch die Probleme benennen, die im Rahmen der Feldforschung entstehen. Zudem stellt der Band wichtige Beratungs- und Ausstiegsangebote vor, die insbesondere in Deutschland und Schweden verfolgt werden.

Neben sozialwissenschaftlichen Blickwinkeln und sozialarbeiterischen Interventionsmöglichkeiten bei von Gewalt betroffenen Menschen in der Prostitution stehen vor allem Betroffene mit ihren Erfahrungen im Mittelpunkt. Stimmen aus der Praxis der Sozialen Arbeit prägen den abschließenden Schwerpunkt des Buches und berichten von den Erfahrungen aus der täglichen und praktischen Arbeit im Milieu.

  • Jirmann, Carina / Schurian-Bremecker, Christiane / Piasecki, Stefan (Hrsg.)
  • Prostitution heute. Befunde und Perspektiven aus Gesellschaftswissenschaften und Sozialer Arbeit 
  • Tectum: Baden-Baden 2018
  • 240 Seiten
  • 28,00 EUR

INHALT (pdf): Prostitution heute_Angelina-Piasecki-Schurian 2018

 

Überblick über die Beiträge

Prostitution heute. Ebenso skandalisiert wie verharmlost ist die Praxis gewerblichen Geschlechtsverkehrs Gegenstand ideologischer Standpunkte und gesellschaftlicher Debatten. Undeutlich bleibt dabei oft, was gemeint ist und über wen gesprochen wird.

Carina Angelina und Lisa Schreiter begründen in ihrem Einführungskapitel „Ein Milieu im Wandel“ Zugänge zum Thema Prostitution und widmen sich der rechtlichen Lage und sozioökonomischen Position von Menschen, die unter Prostitution leiden.

Mit einer dezidiert soziologischen Perspektive eruiert Manuela Schon die Rolle der Freier im System der Prostitution und bezieht sich hierbei auf dezidierte Aussagen von ihnen in digitalen Freier-/Bewertungsforen. Dabei zeigt sie auf, wie Prostitution als Spielfeld zur Reproduktion männlicher Herrschaft gesehen werden kann und bezieht sich hier auf die Theorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu.

Auf die „Hintergründe, Ursachen und Handlungsmotiven für die Ausübung von Prostitution“ geht Carina Angelina ausführlich ein und verweist auf die Push- und Pull-Faktoren, die als multifaktorielle Prozesse den Einstieg wie auch das Verbleiben in der Prostitution begünstigen. Dabei bezieht sie sich auf diverse nationale und internationale Studien und wissenschaftliche Arbeiten sowie ein selbst geführtes Experteninterview mit einer Sozialarbeiterin einer Fachberatungsstelle.

Stefan Piasecki widmet sich der Frage, welche Auswirkungen mediale „Erregungskurven“ auf die öffentliche Akzeptanz von Prostitution haben. „“Nutte“, Aschenputtel oder „Pretty Woman“? Wie kulturelle und mediale Stereotype das gesellschaftliche Bild von Prostitution prägen“ macht Traditionslinien eines schwierigen Verhältnisses zwischen heimlichem Voyeurismus und oft gleichzeitig zur Schau getragener Verachtung sichtbar und schlägt einen historischen Bogen vom 19. Jh. bis heute.

Empirische Sozialforschung in einem tabuisierten Feld hat Christiane Schurian-Bremecker unternommen. „Der schmale Grad zwischen Forschung und Prostitution“ verdeutlicht die schwierige Grenzziehung bei beobachtenden qualitativen Verfahren, die das Forschungssubjekt in bisweilen große Nähe und in Konflikt mit dem doch eigentlich distanzierten Forschungsinteresse bringt.

„Sozialarbeiterische Perspektiven in Bezug auf Prostitution und im Umgang mit Prostituierten eröffnen praktische Ansätze des Verstehens von Prostitution und die Folgen hierfür für die Soziale Arbeit. Carina Angelina verdeutlicht, welche divergierenden Meinungen hinsichtlich von Prostitution aufeinandertreffen und welche sozialarbeiterischen Haltungen und Handlungen sich daraus ergeben.

Der konkrete Beratungskontext im Bereich der Prostitution wird von drei Beiträgen abgedeckt. Deborah da Silva erörtert „Sozialarbeiterische Interventionsmöglichkeiten mit von Gewaltbetroffenen Frauen in der Prostitution“. Dabei geht sie zunächst auf die hohe Gewaltbetroffenheit, die Risikofaktoren unterschiedlicher Gewaltkontexte sowie auf die gesundheitlichen und sozialen Folgen ein, um anschließend aufzuzeigen, welche Herausforderungen dies für das sozialarbeiterische Handeln mit sich bringt und wie ein professioneller Umgang mit dieser Zielgruppe aussieht.

Welche sozialarbeiterische Perspektiven und Maßnahmen erfordert der sensible Kontext von Prostitution und Menschenarbeit? Elvira Niesner und Encarni Ramirez Vega von der Fachberatungsstelle FIM e. V. verdeutlichen, welche methodischen Ansätze „Armutsprostitution und Sozial(politische)arbeit“ erfordert. Sie erörtern, welches Gewicht fachliche Kompetenz und spezifisches Wissen um Ausübungsformen und gesellschaftliche oder individuelle Hintergründe haben.

Meghan Donevan stellt in dem englischsprachigen Artikel „Rising up to a new life“ das ganzheitliche und langfriste Ausstiegsprojekt Talita aus Schweden vor. Dabei geht sie auf die unterschiedlichen Aspekte wie Traumaverarbeitung, (Aus-) Bildung und Zukunftsplanung ein und unterstreicht dies mit verschiedenen Fallbeispielen aus der Praxis.

 „Stimmen und Stimmungen aus der Praxis“ prägen den abschließenden Schwerpunkt des Buches. Hier berichtet Soni Unterreithmeier von der SOLWODI Fachberatungsstelle in Augsburg über die „Erfahrungen aus der täglichen und praktischen Arbeit im Milieu“ und mit Menschen, die in diesem leben, arbeiten und oft genug auch leiden. Cathrin Schauer-Kelpin und Anna Ciecior lassen nicht unerwähnt, wie „Unsichtbar in Deutschland – Sexuelle Ausbeutung von Frauen“ häufig genug ist.

Dieser Sammelband möchte erreichen, gegenwärtige Strömungen und Auffassungen sichtbar zu machen und einen Debattenbeitrag zu leisten, der sowohl Ursachen und Motive von Prostitution heute argumentativ aufbereitet, die Nachfrageseite und ihre Rolle im Prostitutionssystem beleuchtet, den Einfluss medialer Sujets nachzeichnet, die Probleme, die im Rahmen der Feldforschung entstehen, benennt und wichtige sozialarbeiterische Hilfs- und Ausstiegsprogramme vorstellt, die insbesondere in Deutschland und Schweden verfolgt werden, wo hinsichtlich der Thematik sehr konträre Ansätze verfolgt werden; während in Deutschland der regulatorische Ansatz vorherrscht, ist Schweden das erste Land, welches dem Abolitionismus (dem sogenannten Sexkauf-Verbot) folgt. Diese sehr unterschiedlichen Ansätze werden ihrerseits in dem Einführungsartikel von Angelina/Schreiter und dem Talita-Artikel von Donevan dargelegt.

Neben sozialwissenschaftlichen Blickwinkeln und sozialarbeiterischen Interventionsmöglichkeiten bei von Gewalt betroffenen Menschen in der Prostitution stehen vor allem Betroffene im Mittelpunkt, ihre Erfahrungen und die Position von Beratungseinrichtungen dazu.

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