80. Jahrestag der Hinrichtung des NS-Widerständlers Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg

»Die Ernennung Graf Schulenburgs fiel mit einer deutlichen Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Deutschland und Persien zusammen. Es gibt immer Platz und eine freundliche Aufnahme auf dem persischen Feld für alle, die nicht direkt an dem ewigen Tauziehen zwischen England und Rußland beteiligt sind.«

Sir Percy Loraine, britischer Gesandter in Teheran, Jahresbericht über Persien 1923

»Dass nicht alle, die sich am 20. Juli 1944 erhoben, von vornherein gegen Hitler standen, nimmt ihrem Handeln und ihrem Mut nichts von seiner Größe. Schulenburg hat, als er sah, dass das Unglück anders nicht zu wenden war, sich vorbehaltlos dem Widerstand zur Verfügung gestellt.«

Hans-Dietrich Genscher, ehem. dt. Außenminister (1984)

 

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Am 10. November jährte sich die Hinrichtung des ehemaligen Diplomaten und Botschafters des Deutschen Reiches in Moskau, Graf Friedrich-Werner von der Schulenburg. Nach dem gescheiterten Attentat Graf Stauffenbergs auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 geriet auch Graf Schulenburg verstärkt in das Visier der Gestapo. Der seit den späten 1930er Jahren auf Ausgleich mit der Sowjetunion bestehende Diplomat wurde beschuldigt, sich für direkte Friedensverhandlungen stark zu machen und als Außenminister der Putschregierung vorgesehen gewesen zu sein. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn nach der Verhaftung zum Tode. Bereits im Mai 1944 verstarb die Lebensgefährtin des Grafen, Alwine Duberg, unter bis heute ungeklärten Umständen in einem an das Euthanasieprogramm angeschlossenen Spital. Es muss vermutet werden, dass auch sie ermordet wurde.

Aus diesem Anlass gedachte die Gemeinde Falkenberg in Bayern, Standort der gleichnamigen Burg Falkenberg, die der Graf ab 1936 als für sich vorgesehenen Alterssitz renovieren ließ, seines Vermächtnisses.

V.l.n.r.: Andreas Bönte, Stephan von der Schulenburg, Bernd Erbel, Stefan Piasecki, Sophie von Bechtoltsheim, Jörg Skriebeleit, Matthias Grundler

Nach morgendlicher Messe und ersten Ansprachen durch Altbürgermeister Herbert Bauer, Landrat Roland Grillmeier, Stefan Piasecki und Stephan von der Schulenburg beim Empfang im Kapitelsaal der Burg führten Martina Mark, Sabine Bauer und Klaus Müller ein Sprechspiel durch, indem der Graf mittels Zitaten und Kommentaren sich „aus dem off“ zu Wort meldete. In einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, moderiert von Andreas Bönte (Bayerischer Rundfunk), diskutierten 90 Minuten der Frankfurter Kunsthistoriker Stephan von der Schulenburg, Diplomat a.D. Bernd Erbel, Sophie von Bechtolsheim (Enkelin Graf Stauffenbergs) und Jörg Skriebeleit (Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg) sowie Stefan Piasecki über Aspekte des Lebens des Grafens und vor allem auch über sein Vermächtnis. Was bedeuten der Graf und seine Ansichten, Weltperspektiven, Haltungen für heute? Was lässt sich aus seiner Form der entschiedenen und doch aufgeschlossenen, zugeneigten, kulturell toleranten und weltoffenen Diplomatie für heute lernen? Welche Rolle spielen Mut und Heldentum in einer Wohlstandsgesellschaft, in der Engagement sich vielfach nur in Form von “Likes” äußert?

Stefan Piasecki

Wie authentisch ist Gedenken, das hehre Ziele formuliert, sich praktisch aber oft im Ablegen von Kränzen am 20. Juli erschöpft und wenn sogar Hochschulen Forschungsprojekte zu einem Widerständler wie Schulenburg niederschlagen?

Ein inhaltlich informativer und auch vom Ambiente rundum gelungener Tag fand seinen Abschluss mit einem ergreifenden Konzert des Polizeiorchesters Bayern unter Leitung von Generalmusikdirektor Johann Mösenbichler. Grußworte wurden gehalten durch Bürgermeister Matthias Grundler, den 1. Landtagsvizepräsidenten Tobias Weiß und Organisator Albert Üblacker.

 

Signierung der Gedenkschrift

Stefan Piasecki, Bernd Erbel, Mostafa Maleki (Iran)

Giorgi Astamadze (Georgien), Stefan Piasecki

Johann Mösenbichler

Burg Falkenberg bei Nacht

Burg Falkenberg im Nebel

Stefan Piasecki (Hrsg.): Verrat und Treue – Gedenkschrift zum 80. Todestag des deutschen Ausnahmediplomaten Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg

Mit 62 Abbildungen und dem Kriegstagebuch der deutschen Botschaft in Moskau von 1941. Broschiert 22,90 EUR, 220 Seiten. ISBN 9789403767499