Prostitution und Gewalt im Videospiel – Ein Kommentar von Carina Angelina

Von Carina Angelina, Freethem Deutschland e.V.

 

Effectively Killing Prostitutes in Grand Theft Auto 5 (GTA V)

 

car3Erst kauft man sich eine prostituierte Person, schläft mit ihr und wenn man dann doch keine Lust hat zu bezahlen, ermordet man sie. Das ist eine Aktionsmöglichkeit, die man als GTA-Spieler nutzen kann.

Das diese Darstellungen keine reine Fiktion sind, lässt sich eindrücklich und zugleich erschreckend auf der Seite „Sex Industry Kills“ nachlesen (vgl. Sex Industry Kills). Sie zeigt die erschreckende Realität, denen einige prostituierte Personen ausgesetzt sind. Belästigende, übergriffige oder gewaltvolle Handlungen sind keine Seltenheit.

car2Gerade prostituierte Personen werden häufig als „Frauen zweiter Klasse“ gesehen und stigmatisiert. Ich möchte dies an einem kleinen Vorfall einer Bekannten von mir verdeutlichen. Sie lief gegen Abend in Hamburg durch einen Bezirk, in dem Prostitution gang und gäbe ist. Auf einmal bemerkte sie, dass sich ihr ein Auto näherte. Sie fing an schneller zu gehen. Ein Mann kurbelte das Fenster runter und fragte „Wie viel?“. Sie fing an schneller zu gehen und sich von dem Auto zu entfernen. Der Autofahrer verfolgte sie und fragte erneut aufdringlich „Hey wie viel?“. Sie versuchte sich erneut von dem Auto zu entfernen und sah den Autofahrer nicht an. Nach dem dritten Mal Fragen drehte sie sich um und antworte „Ich bin nicht zu kaufen.“ Völlig beschämt entschuldigte sich der Mann und fuhr weg.

Dies verdeutlicht ein vorurteilsbehaftetes und stereotypisches Denken, das sich durch einige Köpfe zieht: Eine prostituierte Person zu belästigen ist in Ordnung, ihr kann man respektlos begegnen und kann sie entsprechend behandeln. Eine „ehrbare Frau“ wird anders angesprochen.

car4Aufgrund diverser Gespräche und Recherchen auf Freier-Foren weiß ich, dass es durchaus die Vorstellung unter Sexkäufern gibt, dass man prostituierte Personen gar nicht vergewaltigen könne, denn schließlich würden sie ja für Sex bezahlt. Dafür seien sie ja da. „Warum ich für Sex bezahle? Frauen gehen mir oft auf den Sack. Sie machen Stress. Dafür zu zahlen, das hat was. Ins Gesicht abspritzen kostet 50 extra. Eigentlich ist das Macht. Man kann mit der Frau machen, was man will. (Christian, 23, Kaufmann, Single)“ (Flitner 2013, 1). Ich möchte damit nicht behaupten, dass jeder Freier oder gar GTA-Spieler so denkt. Dennoch muss vermutet werden, dass solche „Aktionsmöglichkeiten“ ein herabwürdigendes Denken und gewaltvolles Verhalten gegenüber prostituierten Personen fördern.

Realitätscheck:

  • Diverse Organisationen, aber auch Studien bestätigen strukturelle, psychische und physische Gewalt gegenüber Prostituierten (vgl. BMFSFJ 2004a, 470).
  • In einer älteren Befragung in Deutschland gaben ca. die Hälfte der interviewten prostituierten Personen an schon einmal Opfer einer Gewalttat durch Sexkäufer, Zuhälter oder Bordellbetreiber geworden zu sein (vgl. BMFSFJ 2004a, 470).
  • Die Organisation TAMPEP berichtet zudem von einer Zunahme von Gewalt gegenüber Personen in der Prostitution z. B. von Seiten der Freier, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden (vgl. TAMPEP 2007, 7).
  • In einer Studie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gaben 41 % an, schon mal körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Prostitution erfahren zu haben (vgl. BMFSFJ 2004b, 26). Interessant ist hierbei, dass 77 % der befragten Personen deutscher Nationalität waren (vgl. BMFSFJ 2004a, 17). Die Mehrzahl der in der Prostitution tätigen Personen sind jedoch schätzungsweise Migrantinnen (vgl. BMFSFJ 2016; TAMPEP 2007, 6). (Bsp.: München 2014: neuer Höchstwert von 85,4 % Migrantinnen in der Prostitution (vgl. Polizeipräsidium München 2015, 60))
  • In zwei weiteren in Deutschland durchgeführten Studien gaben rund 60 % der befragten prostituierten Personen an, schon mindestens einmal in der Prostitution vergewaltigt worden zu sein (vgl. Farley 2003, 43; Zumbeck 2001 zit. n. BMFSFJ 2004a, 471).
  • Bei einer Befragung von Church gaben ebenfalls mehr als die Hälfte der Befragten an schon einmal Gewalt durch Freier erlebt zu haben, jedoch meldeten nur 35 % der Personen dies der Polizei (vgl. Church 2001 zit. n. BMFSFJ 2004a, 472).

car5Und wer nun der Ansicht ist, dass Gewalt nur im Bereich der Straßenprostitution stattfindet, der irrt sich. In dem neusten Bundeslagebild „Menschenhandel“ wurde laut Bundeskriminalamt im Jahr 2015 knapp jedes fünfte Opfer vom Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung im Bereich der Hotel- und Hausbesuche tätig (vgl. BKA 2016, 9). Hierbei sollte betont werden, dass es sich bei dem Bundeslagebild um das Hellfeld handelt. Neben dem Bundeskriminalamt schätzen auch einige andere Experten und Expertinnen, dass es bei diesen Statistiken nur im die „Spitzen des Eisberges“ handle (vgl. Aktionsbündnis gegen Frauenhandel).

 

angelineCarina Angelina beschäftigt sich seit knapp vier Jahren intensiv mit der Thematik Menschenhandel und Prostitution. Ihre Bachelor-Thesis schrieb sie u. a. über Erklärungsansätze für die Ursachen und Motive der Ausübung von Prostitution. Sie ist Vorsitzende des Vereins Freethem Deutschland e. V. – einer Jugendbewegung, bestehend aus jungen Leuten, die über Menschenhandel und Prostitution informieren, zu kritischer Auseinandersetzung mit der Thematik motivieren und junge Leute aktivieren, selbst gegen Missstände im Sexgewerbe aufzustehen. Mehr Infos auf ihrer Website (www.freethem.de) oder auf Facebook (www.facebook.de/freethem.de).

Quellen:

Aktionsbündnis gegen Frauenhandel: Was ist Frauenhandel? Online verfügbar unter http://www.gegen-frauenhandel.de/ueber-das-aktionsbuendnis/was-ist-frauenhandel/ (Frauenhandel. Diskurse und Praktiken. Transkulturelle Perspektive, Band 6, hrsg. V. Jürgen Nautz, Birgit Sauer, 1. Auflage 2008), zuletzt geprüft am 29.10.2016

Bundeskriminalamt (BKA) (2016): Bundeslagebild 2015 Menschenhandel; https://www.bka.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/Kurzmeldungen/161010_BundeslagebildMenschenhandel.html; zuletzt geprüft am 29.10.2016

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2004a): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland. II Teilpopulationen – Erhebung bei Prostituierten. Online verfügbar unter http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/langfassung-studie-frauen-teil-eins,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2004b): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Kurzfassung. Online verfügbar unter https://www.bmfsfj.de/blob/94200/d0576c5a115baf675b5f75e7ab2d56b0/lebenssituation-sicherheit-und-gesundheit-von-frauen-in-deutschland-data.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (2016): Prostitution. Online verfügbar unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/prostitution/prostitution/80646?view=DEFAULT, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Farley, Melissa; Alvarez, Dinorah; Cotton, Ann; Lynne, Jacqueline; Reyes, Maria E.; Sczgin, Ufuk; Spiwak, Frida; Zumbeck, Sybille (2003): Prostitution and Trafficking in Nine Countries. An Update on Violence and Posttraumatic Stress Disorder. Online verfügbar unter http://www.prostitutionresearch.com/pdf/Prostitutionin9Countries.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Flitner, Bettina (2013): Freier. Online verfügbar unter http://www.bettinaflitner.de/fileadmin/img/Press_Artikel/Freier_STERN.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Polizeipräsidium München (2016): Sicherheitsreport 2015. Online verfügbar unter https://www.polizei.bayern.de/content/2/4/1/0/6/8/sicherheitsreport_2015_endfassung.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

Sex Industry Kills: Prostitution murders. Online verfügbar unter http://sexindustry-kills.de/doku.php?id=prostitutionmurders:start, zuletzt geprüft am 29.10.2016

TAMPEP (European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion among Migrant Sex Workers (Hrsg.) (2007): NATIONAL REPORT ON HIV AND SEX WORK. GERMANY. Online verfügbar unter http://tampep.eu/documents/Germany%20National%20Report.pdf, zuletzt geprüft am 29.10.2016

 

 

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