Emel Cay fällt auf in der Universitätsbibliothek Duisburg. Flink und wach eilt sie umher, berät und hilft. Andere tun das auch, doch sie spricht deutlich, präzise und so klar, wie wenige andere im Ruhrgebiet. Ihr Name verrät ihre Herkunft aus der Türkei. Auch ihr Geburtsort liegt in Anatolien.
Als die Tochter eines Gastarbeiters kam sie mit ihrer Mutter in 1992 nach Deutschland.
Sie ging in die reguläre Schule, lernte deutsch, machte Abitur und entschied sich anschließend für eine Ausbildung in einer Bibliothek. Jetzt studiert sie an der Universität Duisburg Politikwissenschaft und arbeitet nebenbei in der Universitätsbibliothek Duisburg.
Sie haben zunächst eine klassische Ausbildung zur Bibliothekarin gemacht. Wie kam es dazu, sich für Politikwissenschaft zu interessieren?
Emel Cay: Ich hatte mich für eine Ausbildung nach dem Abitur entschieden, weil ich zunächst etwas handfestes wollte und eine „gute Arbeit“ die mir Spaß macht. Ich wollte mein Hobby zum Beruf machen. Und nichts war für mich wertvoller als Bücher, die ich lesen durfte. Für Politikwissenschaft habe ich mich entschieden, weil ich mein Studium sehr gut mit meinem Beruf kombinieren kann und weil mich Politik schon immer sehr interessiert hat.
Sie sind noch ziemlich jung, nicht in Deutschland geboren, mussten die Sprache erst lernen und sprechen nun besser als mancher Deutsche. Was ist Ihr Geheimnis?
Emel Cay: Mein Geheimnis sind Bücher. Lesen, lesen und nochmals lesen.
In der Schule war ich immer sehr still, weil ich Angst hatte etwas falsches zu sagen oder etwas falsch auszusprechen. Mir fehlten Wörter, mir fehlte die Grammatik und mir fehlte die deutsche Kultur. Was ich mit Kultur meine würde ich gerne erklären: Ich konnte z.B. nie mitreden wenn meine Freunde über Pumuckl oder das Sams oder das Sandmännchen gesprochen haben. Ich wusste nicht einmal wer das sein sollte. Es kam der Punkt wo ich mir selbst sagte: „Das muss sich ändern!“
In der Schulbibliothek hatte ich meinen ersten Kontakt mit Büchern, die ich bewusst ausgesucht hatte. Darauf folgten unendliche Besuche in der Stadtbücherei. Ich verschlang regelrecht alle Bücher, die mir unter die Finger kamen und hauste stundenlang in der Bücherei.
Mir ist auch aufgefallen, dass ich immer schneller lesen konnte und allmählich kannte ich alle Figuren von Pumuckl bis Harry Potter. Ich habe mehr gesprochen und mit der Zeit erweiterte sich mein Wortschatz. Bis heute lese ich unglaublich gerne Literatur verschiedenster Themen und Genres.
Sie haben in Köln ehrenamtlich mit Kindern gearbeitet und Bastelkurse gegeben. Sie kennen sich also mit Handlungsfeldern der Jugend- oder Sozialarbeit aus. Würden Sie zu einem Einsatz von Medien raten? Und wenn ja, zu welchen?
Emel Cay: In der Kölner Bibliothek habe ich einfach Kinder angesprochen, die sich unmittelbar vor der Bibliothek trafen und ihre Zeit verbracht haben. Ich habe die Kinder gefragt, ob sie nicht Lust hätten mit mir zu lesen, zu basteln und unsere gebastelten Werke am Schaufenster der Bibliothek zu präsentieren. Sofort waren die Kinder begeistert und konnten die Bastelstunden kaum erwarten. Die Bastelstunden waren so gefragt, dass ich mir Listen mit Namen anfertigen musste, damit jedes Kind mindestens einmal mitbasteln konnte.
Leider konnte ich höchstens 7 Kinder auf einmal betreuen, weil ich erstens nicht sehr viel Platz in der Bibliothek hatte und zweitens ich mir für jedes Kind die Zeit nahm. Die Materialien bezahlte ich aus eigener Tasche. Regelmäßig, jede 2. Woche im Monat kamen so tolle Ergebnisse ans Tageslicht.
Z.B. lasen wir sehr spannende Kinder-Sachbücher über Australien und beantworteten für uns die Fragen: Wer sind die Aborigines? Was ist der Uluru? Wie hört sich ein Didgeridoo an? Wo leben die Kangeroos? So lernten wir viel über die Kulturen.
Die Sachbücher, die Fragen sowie die CD’s oder DVD’s besorgte und bestellte ich mir vor den Bastelstunden und plante jede Stunde sehr genau. Auch kurze Filme und sehr viele Bilder/Fotos kamen zum Einsatz. Wir waren sozusagen mitten in Australien.
Ich habe immer deutsch gesprochen. Auch wenn türkische Kinder dabei waren (die unbedingt wollten, dass ich türkisch speche), habe ich sie dazu ermutigt deutsch zu sprechen. Fehler waren okay. Es war nicht schlimm wenn falsch gesprochen wurde. (Zu 90% waren es ausländische Kinder mit sehr starken Sprachschwierigkeiten).
Ebenfalls in der Bibliothek veranstaltete ich Wettbewerbe für Kinder, die mit der Wii-Konsole oder mit der Xbox-Kinect spielten und kleine Preise gewinnen konnten. Es wurde viel gelacht und vor Allem viel gesprochen.
Für etwas ältere Jugendliche plante ich ein Musik-Event. Genauer: Ich engagierte mich und konnte 2 relativ berühmte Rapper überreden in der Bibliothek für die Jugendlichen vor Ort zu rappen und ihre Erfahrungen mit der deutschen Sprache mit den Jugendlichen zu teilen. Wie wichtig ist es die deutsche Sprache zu lernen? Wie wichtig ist Bildung? Wie bleibt man fern von Kriminalität?
Auch hierfür besorgte ich im Vorhinein viele CD’s und DVD’s über Musik und Deutsch-Rap. Die Jugendlichen wollten sich zwar nicht wirklich mit Büchern beschäftigen, doch diverse Flyer für Hausaufgabenhilfe und Grammatik-Bücher kamen dann doch sehr gut an. Über 50 Jugendliche erschienen zum Event. Fast alle haben mir im Voraus ihre Hilfe angeboten, die ich dankend annahm. Die Planung fand in Kooperation mit den Jugendlichen statt.
Ich denke man sollte mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren und bevor man etwas plant immer herausfinden was diese Kinder bewegt, was sie mögen und was nicht. So findet man am besten Zugang zu ihnen und die Projekte werden ein voller Erfolg.
Meiner Meinung nach sind Medien in unserer Zeit unumgänglich wenn man einen Bezug zu Kindern und Jugendlichen herstellen möchte. Medien sind allgegenwärtig und ein Teil unseres Lebens. Seien es Bücher, Hörbücher, CD’s, DVD’s, Brettspiele, 3D-Filme, Konsolenspiele uvm. > Das alles führt zur besseren Visualisierung und damit verbunden zu besserem Verständnis und größeren „AHA“-Erlebnissen, die sich sehr stark bei Kindern und Jugendlichen einprägen und verfestigen.
Ich kann mir nichts langweiligeres und unproduktives vorstellen, als einen Lehrer der vor vielen Schülern steht und etwas (z.B. aus einem Buch) monoton vorliest…
(Leider passiert genau das zurzeit in der Uni, wenn ich Professoren zuhöre :D).