Ein Besuch bei der Evangelischen Gemeinde in Teheran
In der Sheydai-Straße im Teheraner Stadtteil Gholhak befindet sich die deutsche Evangelische Gemeine Teherans. Sie wird von Pfarrer Ingo Koll geleitet, der bereits sein Vikariat von 1976-1977 in Teheran leistete – damals war er noch mit seiner alten „Ente“ über Beirut und Bagdad dorthin gefahren. Ende 2009 erhielt er nach Zwischenstationen in Kenia und Tansania die Anfrage, ob er abermals Interesse hätte, die Teheraner Auslandsgemeinde zu leiten und sagte zusammen mit seiner Frau Almut zu.
Die Geschichte der Gemeinde geht zurück bis in die frühen 1960er Jahre, als die wirtschaftliche Zusammenarbeit des Irans mit der Bundesrepublik Deutschland dazu führte, dass immer mehr deutsche Firmen den iranischen Markt für sich entdeckten und Repräsentanzen einrichteten. Mit ihnen wuchs auch die deutsche Auslandsgemeinde, die in den Jahren vor der Islamischen Revolution 1979 mit etwa 12.000 Deutschen in Teheran ihren Höhepunkt erreichte.In dieser Zeit galt Gholhak als „deutsches Viertel“.
Ganz in der Nähe befand sich auch die Deutsche Schule mit damals etwa 2000 Schü
lern. Die meisten Ausländer verließen nach der Revolution den Iran, so auch die Deutschen. Die Zahl der Schüler der Deutschen Schule sank so bspw. von 2000 Schülern 1978 auf lediglich 100 im Jahr 1979. Heute geht man noch von etwa 500-700 Deutschen aus, die im Iran leben. Oft sind sie beruflich dort oder mit iranischen Ehepartnern verheiratet.
Diese Situation prägt die Arbeit der Evangelischen Gemeinde bis heute. Die Hauptzielgruppe der Gemeindearbeit besteht in der Betreuung und Kontaktpflege von meistens Frauen deutscher Herkunft, die iranische Auslandsstudenten kennengelernt und geheiratet haben und mit ihnen zurück in den Iran zogen. Die Gottesdienste finden Sonntags im Kirchraum statt, der bis zu 120 Personen Platz bietet und auch eine kleine Bibliothek umfasst, Dienstags besuchen regelmäßig 20-40 Frauen das Frauencafé und verschiedene Kulturangebote, die Mittwochs stattfinden. Das Projekt „Zedengi“ der Gemeinde verkauft nach dem fair-trade-Prinzip iranische Handarbeiten.
Geschätzt wird der Innenraum der Kirche übrigens auch von verschiedenen Gruppen wie Chören und Orchestern, die hier bei Proben von der besonderen Akustik profitieren können.
Wichtig für Pfarrer Koll ist neben der Gemeinde- und Seelsorgearbeit die Kontaktpflege zu Kollegen anderer Konfessionen in Teheran und der Umgebun
g. Sein eigenes Arbeitsgebiet beschränkt sich dabei nicht einmal auf die iranische Hauptstadt alleine – er ist auch für Seelsorgeangelegenheiten auf der arabischen Halbinsel zuständig. Hier liegen Schwerpunkte in Katar, Doha und im Oman. Seine Arbeit wird bezuschusst durch die EKD.
Die Arbeit mit und in der islamischen Gesellschaft beschreibt Pfarrer Koll als ambivalent. Einerseits hätten religiöse Minderheiten im Iran intern große Freiräume, müssten aber sehr auf ihre Außenwirkung bedacht sein. Angebote und Einrichtungen dürften nicht den Verdacht aufkommen lassen, sie lüden zur Missionierung ein. Es gäbe zu einer ganzen Anzahl von Gelegenheiten Gespräche mit Behörden und Ministeri
en, die grundsätzlich entspannt verliefen, solange nicht der Verdacht aufkäme, man wolle zu sehr in die Öffentlichkeit hineinwirken.
Wie auch weite Teile der iranischen Gesellschaft selbst setzt auch Pfarrer Koll große Hoffnungen in eine weitere Öffnung des Landes nach dem Ende der UN-Sanktionen im Januar. Durch die erwünschte Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran könnte auch die Gemeinde wieder wachsen oder die Deutsche Schule, so dass verstärkt auch Konfirmandenunterricht sowie Kinder- und Jugendarbeit angeboten werden könnten.
Neben der Evangelischen Gemeinde gibt es auch eine ganze Reihe weiterer katholischer, armenischer und anderer Kirchen, die teilweise sehr groß und weithin sichtbar sind wie auch eine aktive jüdische Gemeinde. Diese Kirchen sind allgemein in einem sehr guten Zustand und, anders als in Deutschland, auch nicht durch Graffiti verschmiert.
Webseite: http://kirche-in-iran.de/index.php/de/
(Stefan Piasecki)