Interview mit den Romanheftlektoren Michael Schönenbröcher und Britta Künkel (Bastei Verlag)

Michael Schönenbröcher und Britta Künkel sind Teil des Lektorenteams im Bastei Verlag in Köln. Gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen betreuen sie die wöchentlich dort erscheinenden unterschiedlichen Serien. Michael Schönenbröcher gehört zu den Urgesteinen der Szene. Einen gewissen Kultcharakter erreichte er, weil er unter markigen Namen Woche für Woche Leserbriefe beantwortet und dabei selbstironisch, individuell und überaus witzig auf die unterschiedlichsten Anfragen eingeht. Die (leider wenigen) von ihm selbst geschriebenen Romanhefte sind Fans dabei besonders wertvoll. Bei dem Besuch im Verlag Ende September war leider Britta Künkel nicht anwesend, daher reichte sie ihre Antworten nach und ist leider nicht mit auf dem Bild dabei.

Michael, wie viele Romane hast Du lektoriert in all den Jahren? Wie viele Kilo Papier hast Du bewegt?

Hupps – gerade gestern kam mir das Notizbuch, in dem ich über die bisherigen 38 Jahre (seit September 1979) bei Bastei Buch geführt habe, abhanden. Zu dumm… Aber im Ernst: Das weiß ich beim besten Willen nicht. Einige tausend, würde ich sagen. Eine wöchentliche Serie bringt es ja schon auf 52 Ausgaben pro Jahr, eine 14-tägliche auf 26. Und ich habe einige Dutzend Serien und Reihen betreut.

Du bist Fans unter Pseudonymen wie Monster Mike und vielen anderen bekannt. Wie viele Pseudonyme hast Du eigentlich? Eines für jede Serie? Und warum sind die unterschiedlich?

Damals beim DÄMONEN-LAND fing das mit dem „Doppel-M-Pseudonym“ an, da debütierte ich auf der Leserseite mit „Monster-Mike“. Einfach aus Spaß an der Freud. Im Laufe der Zeit kamen dann „Missouri-Mike“ (ABENTEURER), „Mesozoikum-Mike“ (DINO-LAND) und „Mad Mike“ (MADDRAX) hinzu. Böse Zungen führen auch noch „Motorschaden-Mike“ an (TRUCKER KING), aber der Name ist nicht bestätigt!

Was fragen die Leute so im Allgemeinen? Ist es manchmal nicht anstrengend, mit Leuten zu sprechen, die eine Serie vielleicht zu ernst nehmen?

Nach meiner Erfahrung gibt nur ganz wenige, die sich da in etwas hineinsteigern – und das tun sie meistens im Internet, nicht in Briefen oder Mails. Ich finde es ja toll, wenn man sich so in sein Hobby hineinhängt, aber es darf natürlich nicht zum Lebenszweck werden. Wer wissen will, was die Leute fragen, muss die Leserseiten lesen. Im Moment gibt es die nur bei MADDRAX, SINCLAIR und ZAMORRA.

Was für Außenstehende vielfach überraschend ist, ist die Detailkenntnis der Fans, die oft genau wissen, welcher Charakter wann was gesagt hat. Wie erklärst Du Dir die Identifikation der Leser mit ihren Serien?

Manche Leser haben ein wirklich gutes Gedächtnis. Sogar mir passieren manchmal so dumme Fehler wie kürzlich, als ein Charakter gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten auftauchte. Ich glaube aber nicht, dass die Leser sich wirklich mit der Serie oder dem Helden identifizieren. Das ist bei TV-Serien wie Star Trek genauso, da hätte sich auch so mancher Fan bei „Wetten, dass…?“ melden können. Aber die Leute bleiben trotzdem auf dem Boden.

Der Bastei-Verlag in Köln (© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons))

Über die Jahrzehnte haben die Serien sich entwickelt. Einige wie JOHN SINCLAIR gibt es nach wie vor, andere wurden eingestellt. Was würdest Du sagen, wie hat sich das Angebot verändert? Und wie die Zielgruppen?

In den 70er- und 80er-Jahren war das Angebot größer, weil heute weniger gelesen wird. Die Zielgruppen haben sich m.E. aber nicht geändert; noch immer sind z.B. Gruselserien für eher junge Leser attraktiv, zeitlose Stoffe wie Western und SF dagegen für Leser aller Altersklassen. Am häufigsten vertreten sind Western und Liebes-, bzw. Heimat- und Arztromane.

Viele bekannte Autoren haben mit Heftromanen angefangen. Ist der Heftroman eine gute Übung oder sogar eine Hilfe, um später mit größeren Werken Erfolg zu haben?

Auf jeden Fall, das impliziert ja schon deine Frage. Es kommt selten vor, dass ein Autor einen Bestseller „aus dem Stand“ schreibt, da sind Fingerübungen vorher sehr nützlich. Und etliche meiner Autoren schreiben auch heute noch beides: Romanhefte, aber auch Taschenbücher und Bücher wie Historienromane oder Fantasy. Allerdings muss man die Begabung und die Leidenschaft schon haben, die kann man nicht erlernen.

Welche Auswirkungen hatte das Internet auf Deine Arbeit und auf das Angebot? Die Hefte gibt es jetzt auch als eBooks. Was ist noch anders?

Das Internet dient Autoren und Lektoren vor allem als Informations- und Recherchequelle. In den 70ern und frühen 80ern musste man noch Lexika wälzen und Landkarten vermessen, heute genügt da ein Blick in Wiki-Dienste und Routenrechner. EBooks verstärken inzwischen das Angebot, da gehen wir mit der Zeit, auch wenn ich selbst die Haptik von Heft- und Buchseiten bevorzuge.

Heftromane haben eine Geschichte, die je nach Perspektive bis ins späte 19. Jahrhundert oder sogar noch weiter zurückreicht. Aber welche Zukunft haben sie als Unterhaltungsmedium?

So lange der Mensch liest, wird es Heftromane geben, ob als Print oder eBook. Ich hoffe natürlich, dass das klassische Romanheft noch lange Bestand hat. Aber wer kann in die Zukunft schauen? Okay, ich müsste meine Zeitmaschine mal wieder entstauben. Aber wer will das wissen? (lacht)

 

Michael Schönenbröchers Arbeitsplatz, gegenüber von Britta Künkel. Im Hintergrund viele der von ihm bearbeiteten Heftromane, Taschenhefte und Taschenbücher..

Und wie lange sind Sie bei Bastei und Kollegin von Michael im Heftromanlektorat, Frau Künkel? 

Ich habe 2013 bei Bastei in der Romanheftredaktion angefangen.

Heftromane gelten als Medium, das, abgesehen von Liebesromanen, von Männern dominiert wird. Auf Titelbildern sieht man häufig knapp bekleidete Frauen. In den Geschichten haben Frauen oft immer noch Rollen, die schutzbedürftig scheinen und eigentlich so nicht mehr dem heutigen Ideal entspringen. Was denkt man als Frau dabei?

Ich denke, das kann man so nicht mehr sagen. Klar gibt es immer wieder auch schutzbedürftige Frauen in den Romanen, aber gerade bei JOHN SINCLAIR geht es auch anders. Da haben wir auch sehr starke Frauenrollen. Und einen John mit nacktem Oberkörper hatten wir auch schon auf dem Cover. (lacht)

Wie setzt sich die Leserschaft zusammen? Sind es mehr Frauen oder Männer? Und welche Rolle spielen Frauen in der Fanszene? Auf SciFi-Conventions spielen Frauen eine sehr starke Rolle und sind zahlenmäßig vertreten und auch sichtbar. Wie ist das in der Heftromanszene?

Die Leserschaft ist bunt gemischt, aber auffällig ist, dass gerade bei unseren Gruselserien der Frauenanteil sehr hoch ist – was eben auch wieder zeigt, dass manche Klischees überholt sind. Auch auf der ersten John Sinclair Convention waren die weiblichen Fans zahlreich vertreten.

Gibt es Autoren mit Migrationshintergrund oder solche, die aus einer anderen Kultur stammen? Wie sieht das mit Lesern aus? Gibt es bestimmte Storytypen, die von ihnen anders oder besser angenommen werden?

Der Autor Rafael Marques hat portugiesische Wurzeln – daher auch sein Pseudonym. Wie es bei den Lesern aussieht, kann ich nicht sagen, aber was die Storytypen angeht, so nehmen es einem nicht wenige Leser übel, wenn man neue Wege geht und sich zu sehr von dem altbewährten Konzept entfernt. Es darf z.B. nicht zu viel Action drin sein oder zu viele verschiedene Gegner/Monster. Wobei Geschichten, die in anderen Kulturen spielen, hingegen oft begrüßt werden. Die Romane, in denen John in andere Länder reist, sind sehr beliebt, es darf dabei nur nicht zu abgedreht sein. Die Leser wollen immer noch „ihren“ Sinclair darin wiedererkennen.

Bearbeiten Sie auch Leserbriefe? Stellen weibliche Leser andere Fragen als männliche Leser?

Die Leserbriefe bearbeiten die Autoren und ich gemeinsam – wobei ich jetzt spontan nicht sagen könnte, dass sich die Fragen der Leser nach dem Geschlecht unterscheiden. Wenn man das genauer analysieren will, müsste man sich mal die Leserseiten anschauen und auflisten, was für Fragen da von wem gestellt wurden. Vielleicht findet sich ja jemand, der das tun möchte (lacht). Eine auffällige Tendenz gibt es für mich jedenfalls nicht.

Vielen Dank Euch beiden!!!

Das Interview führte Stefan Piasecki

 

Weiter zu:

LINK: Interview mit dem Romanheftforscher Heinz J. Galle

LINK: Stefan Piasecki über die Geschichte des Heftromans

(Bildlink gem. Wikimedia-Commons: https://de.wikipedia.org/wiki/Bastei_L%C3%BCbbe#/media/File:Bastei_L%C3%BCbbe_-_Carlswerk_K%C3%B6ln-1540.jpg)

One Comment on “Interview mit den Romanheftlektoren Michael Schönenbröcher und Britta Künkel (Bastei Verlag)

  1. Guten Morgen, kannst Du gerne machen. Tolle Seite ist das, das Maddraxikon. Glückwunsch. Kennt Michael die?
    Viele Grüße
    Stefan

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