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Was ist „Crowdfunding“? Eine neue Form der Spendeneintreibung? Oder ein kreatives Angebot? Vielleicht ein Freizeitspaß? Bringt es Mehrwert oder spart es Kosten?
Beim „Crowdfunding“ spenden Menschen für ein Projekt, aber nicht allein um des Projektes willen, sondern durchaus auch aufgrund eines unterschiedlich ausgeprägten Eigeninteresses. Dem immer häufiger auch in sozialen Kontexten zu begegnenden Begriff gehen der professionelle Crowdfunder Jörg Eisfeld-Reschke, die Künstlerin und Filmemacherin Sonja Toepfer und der Sozialwissenschaftler Stefan Piasecki nach:
Jörg Eisfeld-Reschke: Crowdfunding könnte als ein enges Korsett für Projektemacher wahrgenommen werden, die sich bereits im Projektverlauf den Erwartungen und dem vielstimmigen Feedback einer anonymen Masse aussetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die individuelle Beteiligung ist stets Auswirkung einer freiwilligen Entscheidung, ein Projekt mittels Crowdfunding finanzieren zu wollen. Inwieweit die Unterstützer nicht nur finanzieren, sondern sich als Teil des Projekts verstehen dürfen, das hängt von den Möglichkeiten ab, die man ihnen bietet. Die tatsächliche Wirkung von Crowdfunding auf den Projektverlauf, die kreative Umsetzung und die Projektqualität ist jeweils eine Frage, die daher nur individuell beantwortet werden kann. Jedes Crowdfunding-Projekt ist mit seinen Machern und Unterstützern einzigartig. Auf sie und den Grad der Mitwirkung am Projekt kommt es an: Wieviel Einfluss lassen Projektemacher zu und wieviel davon nimmt die Crowd an?
Fest steht, dass Crowdfunding eine wunderbare Möglichkeit zur partizipativen Finanzierung von Projekten ist. Projekte werden umgesetzt, die vielleicht nicht finanziert würden und Menschen können mit ihrer einzelnen Finanzierungszusage einen Beitrag leisten – beim Crowdfunding kann jeder Be(i)trag wesentlich sein. Die Kiron-University hat kürzlich auf dem Crowdfunding-Portal startnext.com 1 Mio. Euro an Beiträgen gesammelt und darf damit wohl als erfolgreichstes Crowdfunding-Projekt in Deutschland gelten.
Gerade für soziale Projekte kann Crowdfunding demnach als Einstieg und Einladung zur Mitwirkung verstanden werden. Mit der richtigen Ansprache und passenden Angeboten ist die Brücke zur Gewinnung von Freiwilligen denkbar leicht zu schlagen. Ebenso kann angenommen werden, dass Crowdfunding-Unterstützer mit den richtigen Bindungsinstrumenten auch als Fördermitglieder beziehungsweise Dauerspender gewonnen werden können. Mit diesem Ansatz wird die Einbindung von Interessierten nicht als Einschränkung in der Projektentwicklung verstanden, sondern als Chance gemeinsam mehr zu bewegen!
Zur Person: Jörg Eisfeld-Reschke ist Gründer von ikosom, dem Institut für Kommunikation in sozialen Medien [www.ikosom.de]. Er beschäftigt sich seit 2010 mit Crowdfunding im deutschsprachigen Raum und hat an einigen Studien und Publikationen zum Thema mitgewirkt. Darüber hinaus leitet er die Fachgruppe Digitales Fundraising im Deutschen Fundraising Verband und bloggt auf sozialmarketing.de.
Sonja Toepfer: Ich selbst habe in meinen Projekten noch nicht auf Crowdfunding zurückgegriffen, habe aber schon mal einen Abschlussfilm unterstützt, der mittels des Crowdfunding-Prinzips finanziert worden war – ich war als quasi eine „Funderin“ aus der „Crowd“.
Für mich gibt es eine goldene Regel bei der Finanzierung von Filmen: Verlasse Dich niemals auf andere, sonst bist Du verlassen. Gleichwohl denke ich, dass Crowdfunding eine gute Möglichkeit ist, um zusätzliche Kosten abzudecken, die nicht notwendig sind, aber für die Durchführung ein Plus darstellen. Zum Beispiel würde ich für einen Kurzfilm versuchen, wenig Kompromisse in Ausstattung und Location eingehen zu müssen. Es ist schon was Besonderes, wenn man für ein Drama eine Nebelmaschine à la Hollywood einsetzen kann.
Die letzte Studie des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) hat herausgestellt, dass Crowdfunding zwar häufiger verwendet wird, aber eigentlich nur Erfolg in Kombination mit anderen Finanzierungsprojekten zeigt.
Marie Ebenhahn hat in Zusammenarbeit mit der ikosom in ihrer Hochschularbeit (HFF Konrad Wolf) “Crowdfunding im Film – Alternative Finanzierungsmöglichkeiten bei Deutschen Filmproduktionen“ eine lesenswerte Studie über Crowdfunding im Film vorgelegt.
Ihr Fazit: „Crowdfunding eignet sich z.B. als Gap-Finanzierung (Lückenfinanzierung) für einen Film. Sprich: das Projekt hat bereits ein Gesicht, es gibt bereits Leute und/oder Institutionen, die davon überzeugt sind. Es ist also nur noch ein kleiner Schritt zur Verwirklichung des Films. Crowdfunding kommt besonders für Filme infrage, die sich nicht für die klassische Finanzierung eignen. Mit einer durchschnittlich erreichten Summe von 3.337 € über Crowdfunding-Plattformen können regulär leider nur kleine Summen umgesetzt werden. Dem gegenüber stehen erfolgreiche Projekte wie „Stromberg“, „Iron Sky“ und der „Bar25-Film“. Sie stellen definitiv Nischenprojekte dar, die durch ihre bereits existierende und meist breit aufgestellte Fanbase punkteten. Insofern ist Crowdfunding als alternatives Finanzierungsmittel nur für kleine bzw. Nischenfilmprojekte geeignet.“
Nun zu meiner zweiten Antwort, warum ich selbst ein Crowdfunding-Projekt unterstützt habe. Es ging um einen Science-Fiction Kurzfilm aus Österreich. Ich kenne eine der Schauspielerinnen und wollte die Idee als Fan unterstützen. Es gab also einen Grund für mein Engagement, der über die reine Spendenbereitschaft in anderen Zusammenhängen hinausging.
Mit Ebenhahns Worten schließe ich: “Crowdfunding ist nicht nur reines Finanzierungsinstrument, sondern ermöglicht vor allem auch den Aufbau einer Community und dient der nachhaltigen Kommunikation mit den Fans”.
Zur Person: Sonja Toepfer studierte Strukturale Hermeneutik und Filmwissenschaften. Ihre Passion gilt dem Film, sowohl im theoretischen (Essays, Workshops) und dem praktischen Umgang (eigene Filme und Auftragsarbeiten). Seit 2005 widmet sich die Filmkünstlerin der Videokunst und Rauminstallationen [www.filmundraumkunst.de]. Sonja Toepfer ist Prüfungsmitglied der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft).
Stefan Piasecki: „Crowdfunding“ ist ein Begriff, der traditionelle und moderne Formen sozialen Handelns verbindet: Spenden zu sammeln und „zu spenden“ für gute, gemeinnützige oder künstlerische Zwecke ist seit eh und je ein bedeutender Teil caritativer und gemeinnütziger Arbeit. Auch in der Kunst werden für Ausstellungen, Konzerte oder Bildnisse im Vorfeld Spenden gesammelt und das übrigens aus einem sehr guten Grund. Nicht nur machen Spenden manche Projekte erst möglich, sie sind auch ein sehr guter Gradmesser für die Akzeptanz einer Unternehmung. Wer andere um Spenden bittet, muss sein Vorhaben erklären. Erst dann wird sichtbar und deutlich, wie durchdacht und fundiert die Idee ist, wie bedeutsam die angedachte Zielgruppe, wie breitenwirksam das eigene Auftreten und das vermittelte Anliegen.
Spenden zu sammeln heißt, Vertrauen geschenkt zu bekommen; eine Währung, die viel bedeutsamer ist als der eigentlich gespendete Geldbetrag oder die materielle Spende.
Im Zuge der sich ausbreitenden sozialen Netzwerke und ihrem gesellschaftlichen Bedeutungszuwachs, der sowohl an der Relevanz von „Likes“ für viele Menschen wie auch an der Angst vor „Shitstorms“ zu erkennen ist, erhält „Crowdfunding“ seit einigen Jahren eine zunehmende Relevanz. Auch hier spenden Menschen Geld für das Interesse und das Projekt von anderen, allerdings mit einem großen Unterschied:
Während bei der klassischen Spende der Nutzen häufig Dritten zukommt oder an Projekte mit einer übergeordneten Bedeutung orientiert ist, herrscht beim Crowdfunding eine „Reziprozitätserwartung“ vor. Das bedeutet, der Spender will zwar zunächst ebenfalls ein Projekt unterstützen, aber er möchte an dem Erfolg partizipieren. Dies zwar nicht wie bei einem klassischen Investment in Form eines finanziellen oder materiellen Zugewinns, sondern durch die Realisierung einer Idee oder eines Traumes, dem der Spender sich zugehörig wähnt, mit welchem er sich identifizieren kann. Es gibt demnach die Erwartung, von dem Ergebnis zu profitieren, auch wenn durchaus bekannt ist, dass die Wahrscheinlichkeit der Nichtrealisierung nicht gerade klein ist. Ein bekanntes Beispiel für Crowdfunding ist der auch international sehr erfolgreiche Film „Iron Sky“ des finnischen Regisseurs Timo Vuorensula, der zum bedeutenden Teil mit Geldern von Fans realisiert wurde. Diese durften sich sowohl über den Film an sich mit dem surrealen Sujet von auf den Mond ausgewanderten Alt-Nazis freuen wie auch auf eine Erwähnung im Abspann und weitere Goodies.
Auf soziale Projekte ist dieses Modell bedingt übertragbar, bzw. ist der Nutzen für den Spender unterschiedlich zu vermitteln. Allen Formen von Spendenprojekten gemein ist allerdings das Gefühl, an etwas Bedeutendem mitzuwirken, das man selbst alleine und auch andere gar nicht oder wenigstens nicht in diesem Grad der Perfektion zustande gebracht hätte.
Zur Person: Stefan Piasecki ist Professor für den Bereich „Handlungsfelder der Sozialen Arbeit“ an der CVJM-Hochschule in Kassel.