Prof. Dr. Stefan Piasecki referierte zum Thema linksextremistischer Agitation und Argumentation im Internet und legte einen Schwerpunkt auf Feindbilder von Antifa und Autonomen, die mitunter wenig differenziert bürgerlichen Protest, die Ausübung der Demonstrationsfreiheit und polizeiliche Präsenz mit neofaschistischen Aktivitäten gleichsetzten.
Vom 19.-20.10.2015 führte die Hanns-Seidel-Stiftung an historischer Stätte im Bildungszentrum Wildbad Kreuth unter dem Titel „Nachbetrachtungen zum G7-Gipfel – Die Bilanz für Linksextremisten“ eine Tagung durch, auf der Experten von Polizei, bayerischem Innenministerium und Verfassungsschutzämtern eine Auswertung der Proteste und Krawalle rund um den G7-Gipfel Anfang Juni 2015 durchführten.
Die sicherheitspolitische Betrachtung bezog sich über Elmau hinaus auch auf die vorangegangenen Ausschreitungen, die sich bereits im März des Jahres anlässlich der EZB-Eröffnung in Frankfurt ereignet hatten; hierbei waren 94 Polizisten verletzt und mehrere Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt worden.
Prof. Dr. Stefan Piasecki referierte zum Thema linksextremistischer Agitation und Argumentation im Internet und legte einen Schwerpunkt auf Feindbilder von Antifa und Autonomen, die mitunter wenig differenziert bürgerlichen Protest, die Ausübung der Demonstrationsfreiheit und polizeiliche Präsenz mit neofaschistischen Aktivitäten gleichsetzten. Die dabei ausgeübte Gewalt treffe alle gleichermaßen und verliere schnell jedes Maß. Insbesondere die vielfach vorhandenen Aufrufe zu Gewalt im Internet seien nicht zu unterschätzen, da aufgrund der Anonymität des Netzes weder Urheber noch Folgen entsprechend einzuschätzen seien. Gewaltaufrufe und geplante Widerstandshandlungen in Internetforen blieben nicht ohne Wirkung auf Sympathisanten oder auch nur Trittbrettfahrer. Polizei werde bei Veranstaltungen vielfach nicht einmal in Sichtweite geduldet.
Stefan Piasecki: „Die Grenze des politischen Kampfes ist die Unantastbarkeit von Würde und körperlicher Unversehrtheit auch des politischen Gegners.“
Eine Zivilgesellschaft lebe von Meinungsäußerungen und auch Protest von allen Seiten. Er verwies anhand mehrerer Beispiele auf die Legitimität linker Proteste und auch auf die große Kreativität der Szene, die sich nicht nur in unterschiedlichen Protestformen, sondern auch in klandestinen Aktionen wie „wilden Begrünungen“ (Guerilla Gardening), Spontanversammlungen, Straßentheater, Videoclips, Musik und anderem zeigte.
Aufrufe zu Gewalt oder zu „Hausbesuchen“ bei politisch Andersdenkenden oder enttarnten „Polizeispitzeln“ seien jedoch nicht geeignet, um die eigenen Anliegen glaubhaft zu unterstreichen; während kreative Aktionen nach Ansicht von Prof. Piasecki Protestformen seien, die einem formulierten Anliegen auch über die eigene Klientel hinaus breites Gehör verschafften.
Bisweilen seien es allerdings auch behördliche oder polizeiliche Anordnungen wie die Ausrufung von „Gefahrenzonen“ in Hamburg im Frühjahr 2014 selbst, die erst dazu beitrügen, den Protest aus dem linken Milieu hinaus bis in bürgerliche Kreise zu tragen.
Dennoch bleibe eine Schwachstelle linksextremer Zielsetzung, dass sie ihre „Feinde“ unterschiedslos ebenso in Polizisten, „Pogrombürgern“ wie auch Neonazis sähen und damit Ausschreitungen, Bedrohungen und Gewalttaten rechtfertigten.
Da Medien tendenziell wenig über linksextreme Protestformen berichteten, konzentrierten sich die Berichtsaktivitäten meistens auf Ausschreitungen und Gewalttaten – so blieben die vielen mäßigenden Stimmen in der Szene oft unberücksichtigt. Hierdurch werden wiederum diejenigen begünstigt, die sich als Teil einer von repressiven Strukturen „unterdrückten schweigenden Mehrheit“ wähnen und in gewalttätigem Widerstand gegen „das System“ eine legitime Option für die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung sehen.