„3-Satz! Angefragt“ zum Thema Jugendschutz bei Download & Streaming

Eine aktuelle oder kontroverse Frage, 3x aus verschiedenen Blickwinkeln behandelt. Das ist „3-Satz! Angefragt“ – auf den Punkt, schnell orientiert, zur eigenständigen Vertiefung empfohlen!


Wir fragen: Uwe Engelhard, der als Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) fungiert. Claudia Mikat, die als Leiterin der FSF-Programmprüfung und hauptamtliche Vorsitzende in den Prüfausschüssen beschäftigt ist und Cindy Gresselmeyer, die als Sozialarbeiterin vielfältige Medien in der Jugendarbeit praktisch einsetzt.

„Wird der nationale Jugendschutz angesichts der Möglichkeiten im Bereich des Downloads und Streamings eventuell überflüssig?“

Claudia Mikat (FSF, Berlin): „Der nationale !2015_C.MikatJugendmedienschutz wird nicht überflüssig, aber die freie Verfügbarkeit aller denkbaren Medieninhalte über das Internet zwingt zum Umdenken.
Beeinträchtigende Inhalte zu identifizieren und für bestimmte Altersgruppen wegsperren zu wollen, erweist sich zunehmend als schwierig und ist allein auch nicht ausreichend. Jugendmedienschutz muss verstärkt auf Information und Empfehlungen setzen, um das Bewusstsein für problematische Medienbotschaften, die Kritikfähigkeit und die Eigenverantwortung zu stärken.
Eltern wünschen sich Altersfreigaben als – zumindest grobe – Orientierung, und auch für Kinder und Jugendliche sind Freigaben Hinweise darauf, welche Art von Angebot sie erwartet, wie die Gesellschaft zu bestimmten Inhalten steht und welche Werte sie vertritt.

Die nationalen Empfindlichkeiten sind hier unterschiedlich. In Deutschland werden Gewaltdarstellungen strenger bewertet, in den USA eine nackte Brust, in Großbritannien vulgäre Sprache.

Innerhalb Europas gibt es Regelungen für den Medienmarkt, von denen internationale Unternehmen nicht unberührt bleiben dürfen – hier müssen Lösungen gefunden werden, globale Angebote mit nationalem oder europäischem Recht in Einklang zu bringen. Die Überarbeitung der europäischen Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMD), die den Anwendungsbereich der Regulierung auf Anbieter aus dem nicht-europäischen Ausland erweitern soll, wird vor diesem Hintergrund mit Spannung erwartet.

Das Internet macht Jugendmedienschutz nicht überflüssig, vielmehr wächst der Bedarf an seriöser Information darüber, welche Inhalte Kindern und Jugendlichen schaden können und warum. Ein reines Alterslabel wird im globalen Markt nicht genügen.“

Uwe Engelhard (USK, Berlin): „Medien sind ein wichtiger Teil des Alltags von Kinder und uwe-engelhard_komprimiertJugendlichen. Aufgabe des Jugend(medien)schutzes ist es, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Medien zu stärken, sie vor Risiken und Gefahren zu schützen und ihnen gleichzeitig aber auch Zugang zu und Teilhabe an einer vielfältigen Medienlandschaft zu ermöglichen. Jugend(medien)schutz hat in Deutschland gemäß Artikel 5 Grundgesetz Verfassungsrang.

Das Internet hat die Medien- und Kommunikationskultur weltweit in einem atemberaubenden Tempo revolutioniert. Mit der entsprechenden technischen Ausstattung und einer stabilen Internetverbindung kann heute jeder Mensch -auch Kinder und Jugendliche- zu jeder Zeit an jedem Ort Medieninhalte produzieren, senden, empfangen und konsumieren.

Angesichts dieser Entwicklung ist Jugendmedienschutz nicht etwa überflüssig geworden, sondern im Gegenteil: In einer medial entgrenzten Welt wird Jugendmedienschutz immer wichtiger – aber angesichts zunehmender Medienkonvergenz auch komplexer.

Da internationale Angebote an Bedeutung gewinnen, kann Jugendmedienschutz heute nicht mehr nur national gedacht werden. Es wäre aber auch falsch, nationale Standards zugunsten eines internationalen „kleinsten gemeinsamen Nenners“ aufzugeben. Die Jugendschutz-Standards in Deutschland sind nicht zufällig entstanden; sondern sie sind auch das Ergebnis von historischen Erfahrungen und der damit einhergehenden Entwicklung gesellschaftlicher Werte. So ist das Thema „Krieg und Gewalt“ in Deutschland ganz anders besetzt als beispielsweise in den USA. Entsprechend werden solche Medieninhalte auch aus der Perspektive des Jugendschutzes in beiden Ländern unterschiedlich bewertet. Ein gutes Beispiel für die Verankerung gesellschaftlicher Werte im Jugendschutz sind die gesellschaftlich plural besetzten Gremien, die bei der gesetzlichen Alterskennzeichnung von Trägermedien nach dem Jugendschutzgesetz über die Altersfreigaben entscheiden.

Die Frage muss also lauten: Wie können wir Jugendmedienschutz in Deutschland international anschlussfähig gestalten und gleichzeitig nationale Werte erhalten?

Teil einer möglichen Antwort könnte das Selbst-Klassifizierungssystem „International Age Rating Coalition“ (IARC) sein, das die Obersten Landesjugendbehörden schon seit mehr als zwei Jahren begleiten und unterstützen. Bei IARC arbeiten Jugendschutz-Organisationen zahlreicher Staaten, in Deutschland die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK), an der Entwicklung eines globalen Systems zur Alterseinstufung von Apps und digitalen Spiele, die über das Internet verbreitet werden. Die Alterseinstufungen werden dabei durch einen Online-Fragebogen ermittelt, den die Entwickler bzw. Anbieter selbst ausfüllen. Das besondere an IARC ist, dass jedes Land selbst entscheiden kann, wie die jugendschutzrelevanten Inhalte bei der Alterseinstufung bewertet werden sollen. Entsprechend kann das System für ein und dieselben Inhalte länderspezifisch unterschiedliche Alterseinstufungen ausgeben – die bei Bedarf auch noch nachträglich überprüft und ggf. korrigiert werden können.

IARC bietet ein großes Potenzial, um den Herausforderungen zu begegnen, die sich an einen effektiven Jugendmedienschutz im Internetzeitalter stellen. Gleichwohl gibt es beim Ausbau einer verbindlichen Struktur zu einer dauerhaften Qualitätssicherung durchaus noch Optimierungsbedarf. Eng damit verbunden ist die Frage, wie IARC rechtlich und organisatorisch in die Gesamtstruktur des Jugendmedienschutzes in Deutschland zu integrieren ist.“

Cindy Gresselmeyer (Sozialarbeiterin): „Heranwachsende kann man meiner Meinung nach nicht Bild 1mehr allein dadurch vor Medien beschützen, indem man eine Altersangabe darauf vermerkt. Meiner Beobachtung nach halten Jugendliche selbst die Kennzeichnung für wichtig, wenn es darum geht, andere, jüngere Menschen als sie selbst zu beschützen. Jedoch für die eigene Person scheinen sie die Notwendigkeit, geschützt werden zu müssen, nicht mehr wahrzunehmen. Vielleicht kann man diesen Gedanken auf den „Third Person Effekt“ beziehen. Diesem entsprechend sehen Menschen andere Menschen stärker gefährdet als sich selbst, wenn es darum geht, von Medien negativ beeinflusst zu werden. Vor allem im Bereich Streaming und Download entsteht oft ein Konkurrenzverhalten unter den Jugendlichen im Wettkampf um das Konsumieren der gefährdensten Medien. Ich glaube tatsächlich, der herkömmliche Jugendschutz im Bereich der Medien – so wie er sich z.Zt. darstellt – kann den vielfältigen Darbietungsformen immer schwerer gerecht werden. Gleichwohl ist es für Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen wichtig, Angaben zur Eignung des jweiligen Mediums zu haben, um diese gezielt nutzen zu können, bzw. auch auszuschließen.

Um  Heranwachsende vor gefährdenden Inhalten im Internet zu schützen, sollte in ihre Kompetenzen investiert werden, um sie zu befähigen, Fallen und Gefahren rechtzeitig zu erkennen und sich selber kritisch denkend und erkennend zu verteidigen gegen Einflüsse, die sich ihnen medial überstülpen ohne nach ihrer persönlichen Reife zu fragen. Schule sollte hier meiner Meinung nach eine wichtige Rolle spielen. Statt Handyverbot sollte gelehrt werden, wie es gebraucht werden kann und wie man sich das Netz zu Nutze macht; stattdessen attraktivieren immer neue Angebote auch mit zweifelhaftem Charakter (z.B. YouNow) das Netz – welches gleichzeitig in vielen Bildungseinrichtungen durch die gültige Schulordnung ausgeblendet wird, anstatt gerade dort den Umgang damit zu schulen.
Trotzdem könnte eine regelmäßig aufklärende Broschüre für Heranwachsende und Eltern hilfreich sein, die Inhalte im Netz bewertet und mögliche Gefahren transparent macht, sowie auf die Eignung in bestimmten Altersbereichen verweist. Jugendmedienschutz, vertreten durch bspw. FSF, USK, aber auch die FSK und FSM, wird sicher nicht überflüssig.

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