„Virtual Flying Carpets“ – Spielentwicklung und Spielemarkt im Iran

Unter den weltweit bedeutenden Märkten für Computer- und Videospiele erscheint die Islamische Republik Iran nicht unmittelbar einen bedeutenden Rang einzunehmen, auch als Entwicklungsstandort gilt er nicht als allererste Adresse. Die Spuren, die die iranische Spieleindustrie auf internationalem Paket hinterlässt, sind auf den ersten Blick schwach und undeutlich. In den Game Studies, die sich wissenschaftlich mit Entwicklung und Analyse von Computer- und Videospielen befassen, stellen iranische Autoren und Wissenschaftler eine Minderheit dar. Dennoch gibt es auch im Iran, ähnlich wie im Westen, eine ganze Reihe von Untersuchungen zu Auswirkungen von Computerspielen auf jugendliche Spieler oder Kinder. Das Thema ist dort demnach in vielen Bereichen präsent.

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Mehrdad Ashtiani (links) und Reza Ahmadi (rechts) vom iranischen Spieleverband IRCG und der Altersfreigabestelle ESRA

Bei näherer Beschäftigung mit dem Iran als Markt und Standort werden bald auch Details deutlich, die eine gänzlich andere Sprache sprechen als die bislang noch eher unscheinbaren Auftritte des iranischen Spieleverbandes IRCG auf internationalen Großevents wie der Kölner Gamescom vermuten lassen. Schon die Auslage der überall in Teheran zu findenden und herrlich anachronistisch anmutenden Zeitungsstände zeigt neben Technik- oder Multimediamagazinen zielgruppenorientierte Spielepublikationen, von denen das Bazinama Magazine (bazinama.com) mit einer Auflage von ca. 30.000 Exemplaren die bedeutendere ist.

Ein Besuch bei der Iran Computer & Video Games Foundation IRCG in Teheran macht dann auch schnell deutlich, dass hier auf Weltniveau gedacht, geplant und entwickelt werden soll. Mehrdad Ashtiani vom Spieleverband IRCG (gegründet 2008) und Reza Ahmadi, Leiter der iranischen Altersfreigabe für Videospiele ESRA (gegründet 2009) verdeutlichten die Bemühungen der letzten Jahre, die Publishingaktivitäten im Iran zu bündeln, die Spieleentwicklung zu professionalisieren und durch ein Altersfreigabesystem das öffentliche Ansehen von Computerspielen zu verbessern, das sich übrigens nicht auf ein Vorbild wie die FSK stützen konnte, denn eine Filmprüfung findet im Iran wohl hinsichtlich moralischer und sozialer Desorientierung statt, eine Kennzeichnung erfolgt jedoch nicht.

esra ratingsVon Bedeutung ist das durchaus schon aus innerpersischen Gründen. Unter den 80 Mio. Einwohnern, von denen 38,5 Mio. aktive Internetnutzer sind, befinden sich 18 Mio. Gamer, mit cafebazar.ir existiert eine lokale Plattform für die Verbreitung und den Verkauf von Inhalten, bekanntere Spiele wie „Shadow Blade“ oder „Epics of Kings“ sind darüber hinaus mittlerweile auch auf iTunes oder in den Android-Playstores zu finden. International bekannt gewordene Titel sind „Rooster Wars“ oder „Garshasp“ – für den weltweiten Vertrieb gilt auch Steam als erfolgreiche Distributionsplattform.

Der IRCG vertritt gegenwärtig 120 Entwicklungsstudios und 4 Publisher. Die Entwicklungsteams bestehen meistens aus 10-15 Personen und agieren in den allermeisten Fällen im Bereich des Mobile Entertainment, also der Produktion von Spielen, die auf tragbaren Endgeräten wie Tablets oder Mobiltelefonen abrufbar und spielbar sind. Weniger als 10 Studios konzentrieren sich ausschließlich auf klassische Computerspiele.

Pro Jahr werden im Iran ca. 80 Spiele entwickelt, 90% davon für mobile Plattformen. Etwa 20% aller Beschäftigten in der iranischen Spieleindustrie sind Frauen, in einigen Firmen stellen sie sogar die Mehrheit.

(…)

(Stefan Piasecki)

Bitte beachten Sie den vollständigen Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Communicatio Socialis“:

Piasecki, Stefan: Auf dem fliegenden Teppich in die Welt? Spieleentwicklung und Spielemarkt im Iran. Communicatio Socialis 49(1) – 2016, 74-78

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