Fortbildung: „Nudging – Der kleine Stups zu gesünderem und suchtpräventivem Verhalten“ (8. Juli 2016), veranstaltet von der Koordinationsstelle Suchtprävention der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) in Frankfurt
Gut geschubst ist halb überzeugt. Unter Nudging versteht man einfache, psychologisch fundierte Maßnahmen, die Menschen zu vernünftigerem oder gesünderem Verhalten bewegen sollen. Wie können auch in der Suchtprävention Verhaltensweisen einvernehmlich verändert werden, ohne dass der Versuch konfrontativ wirkt, mit Verboten oder gar durch Manipulation gearbeitet werden muss?
In der ganztägigen Fortbildung für Multiplikatoren der hessischen HLS informierte Stefan Piasecki über Hintergründe und Möglichkeiten des Nudging, zeigte Grenzen auf und verwies auf bürgerrechtliche Implikationen. Im Workshopteil konnten die Teilnehmenden angeleitet die Bedürfnisse von Suchtberatungsstellen formulieren und Praxisansätze entwickeln, die stets die Klienten als zentrale Elemente im Blick behielten.
Unterhaltung und unterhaltsame Bestandteile von Kommunikation gelten als vielversprechende Wege, Menschen in für sie neue Verfahren einzubinden, von der Bedeutung eines Sachverhaltes zu überzeugen und zu einem kooperativen Verhalten zu bewegen.
„Nudging“ will „anstoßen“, sanfte Verhaltensänderungen evozieren, zum Nachdenken anregen. Dabei wirkt es sanft, nimmt die Menschen mit und vermindert Konflikte. Aber ist das schon alles?
Nudging kann vielfältig eingesetzt werden, von der Verhaltensoptimierung am Arbeitsplatz über Qualifizierungsverfahren bis hin zu sozialräumlichen gesellschaftlichen Prozessen. Auch in der Suchtprävention sind viele der bereits erprobten Verfahren anwendbar, wobei jedoch gerade dort die angesprochene Zielgruppe aufgrund der Subtilität der Anwendungen besonders im Blick gehalten werden muss. Vielversprechend ist es, Menschen mitwirken zu lassen und sie selbstbestimmt zu neuen Verhaltensweisen zu führen.
Der Begriff des „Nudging“ hat spätestens seit dem Buch „Nudge“ von Richard Thaler und Cass Sunstein im Jahr 2008 eine rapide Aufwertung erfahren. Entsprechende Verfahren werden insbesondere in angelsächsischen Ländern propagiert und verfolgt; in den USA und UK ist Nudging mittlerweile Teil von Regierungsprogrammen geworden mit dem Ziel, Bürgerinnen und Bürger zu ermächtigen, sich selbst neu und anders zu reflektieren und in alltägliche Gesellschaftsprozesse einzubringen – insbesondere die Entlastung der öffentlichen Haushalte wird hier angestrebt.
Womit lässt sich das Prinzip erklären? Welche praktischen Ansätze gibt es bereits? Bekannt sind sanfte Anstöße zur Änderung von Ernährungsgewohnheiten, zur Bewusstseinsbildung in Sachen Umweltschutz oder festgefahrener Tagesabläufe. Was ist erfolgreich, was nicht? Aber auch: Gibt es Probleme? Lässt sich Nudging mit einer liberalen Gesellschaft und Bürgerrechten vereinbaren?
Das Verhalten von Menschen zu verändern bedingt stets auch die Verwendung meinungsändernder Inhalte und modulierender Verfahren. Diesen sind sich die Zielgruppen notwendigerweise gar nicht oder nur in geringem Maße bewusst. Welche Verantwortung erwächst hieraus für diejenigen, die diese Techniken einsetzen? Inwiefern sind Teilnehmende an Präventionsprogrammen über deren Inhalte und die erprobte Strategie aufzuklären? Wann ist das sinnvoll, was kann durchaus (zunächst) verschwiegen werden?
Der Fachtag „Nudging“ konnte grundlegend über Methoden und Hintergründe aufklären und einen Überblick über ein spannendes, aber noch wenig bekanntes Feld bieten. Aus Praktikersicht war wichtig:
Wie wurden Verfahren des Nudging bisher in den USA und in UK eingesetzt? Welche unterhaltungs- und damit möglicherweise besonders motivierenden Ansätze lassen sich zusätzlich dem Prinzip der „Gamification“ entlehnen? Inwiefern können Verfahren in Bezug auf Präventionserwägungen adaptiert werden? Mit welchem Aufwand ist bei der Implementierung zu rechnen, mit welchem Widerstand?